Dieser Reiseprofi will den Bundesbeitrag von Schweiz Tourismus kürzen

Schweiz

Die Marketingorganisation Schweiz Tourismus bekommt jährlich zwischen 50 und 60 Millionen Franken vom Bund. Das finden nicht alle gut.

Florence Vuichard / ch media

Es war als Provokation gedacht – und es war auch eine: 2004 schlug der damalige Justizminister Christoph Blocher vor, den 4-Jahres-Bundesbeitrag für Schweiz Tourismus von 200 Millionen auf 1 einzigen symbolischen Franken zu kürzen. Die Aufregung war gross – über den Vorschlag selbst und über den Umstand, dass dieser seinen Weg in die Medien gefunden hatte. Die Bundesanwaltschaft startete eine Untersuchung, ein persönlicher Mitarbeiter von Blochers Widersacher Pascal Couchepin nahm den Hut.

Schweiz Etwas weniger entspannt aus auf diesem Bild aus dem Jahr 2015 in der Globetrotter-Filiale in Bern: CEO Andr

Globetrotter-Chef André Lüthi will eine Diskussion um Tourismusgelder starten.Bild: sda

Das Geld für die staatlich alimentierte Tourismusmarketingorganisation aber blieb unangetastet. Der Bundesbeitrag wurde tendenziell noch aufgestockt und hat sich in den vergangenen 20 Jahren zwischen 50 und 60 Millionen Franken pro Jahr eingependelt, wie aus den Zahlen der Eidgenössischen Finanzverwaltung hervorgeht. 2022 und 2023 erhielt Schweiz Tourismus gar je über 70 Millionen Franken, was auf Sonderzahlungen im Rahmen des «Recovery Programm» nach der Pandemie zurückzuführen ist.

Nun werden die Gelder für Schweiz Tourismus aber erneut in Frage gestellt, und diesmal von jemanden, der aus der Tourismusbranche selbst kommt: von André Lüthi, Chef und Mitbesitzer von Globetrotter. «Vor 30 Jahren waren Werbebudgets richtig und wichtig», um der Welt zu sagen, «dass es die Schweiz gibt und wie schön sie ist», schreibt Lüthi mit Verweis auf die Schweiz-Tourismus-Gelder auf der Plattform Linkedin. Doch er zweifelt, ob das heute noch der Fall ist, «wo alle die ganze Welt» dank Millionen von Bildern auf Social Media auf ihrem Smartphone finden. Und er stellt die Frage, welche der Tourismusmarketingorganisation gar nicht behagen könnte: «Wie viele Gäste hätten wir weniger, wenn die Budgets halbiert würden?»

Schweiz Bild

Lüthi ist sich durchaus bewusst, dass er damit provoziert, wie er selber einräumt. Er hofft, dadurch eine Diskussion zu lancieren.

Auf Nachfrage präzisiert er, dass er insbesondere die Wirkung der klassischen Werbeformate im Ausland hinterfrage. «Die Welt hat sich verändert, und Leute heute sind mündig, sie wissen, was sie wollen», sagt Lüthi und fügt an: «Schweiz Tourismus macht, was den Social-Media-Auftritt angeht, einen guten Job.»

Der Wunsch, in die Schweiz zu reisen, werde nicht durch eine Leuchtreklame auf der Strasse, sondern anderswie geweckt. «Die Leute finden die Welt auf Instagram, hören von Freunden, die von ihrer Reise vorschwärmen, und entscheiden auf diesen Grundlagen über ihre Reiseziele. Indien, China oder Brasilien sind heute mit unserem Land wortwörtlich vernetzt – was vor 20 Jahren nicht der Fall war. Und vielleicht haben sie auch eine bestimmte Fernsehserie gesehen», sagt Lüthi mit Verweis auf das Phänomen rund um den Steg in Iseltwald am Brienzersee.

Dieser wird seit Erscheinen der koreanischen Erfolgsserie «Crash Landing On You» von Touristinnen und Touristen aus Asien überrannt. Postauto musste das Angebot dorthin ausbauen, die Gemeinde liess zudem vor einem Jahr ein Drehkreuz anbringen. Der Gang auf den Steg kostet nun 5 Franken, was der Beliebtheit aber keinen Abbruch tut.

Der Steg von Iseltwalt ist ein Beispiel von Overtourism. Ein Problem, das nach einer kurzen Coronapause auch der Schweiz zu schaffen macht. Etwa in der Gemeinde Lauterbrunnen BE. Ihr bestens für Instagram-Fotos geeigneter Staubbachfall – der höchste frei fallende Wasserfall der Schweiz – ist ein Magnet. In der Bevölkerung hingegen wächst der Unmut, wie SRF berichtete – insbesondere über die Tagestouristen und das Verkehrschaos, das sie mit ihren Autos verursachen. «Wir fühlen uns wie Angestellte in einem Freizeitpark», sagte der Pfarrer der Gemeinde vor einigen Monaten an einer eigens einberaumten Bezirksversammlung.

Ärger verursacht der Tourismus auch in der Zürcher Vorortsgemeinde Kilchberg. Dort steht das erst 2020 eröffnete «Home of Chocolate» der Firma Lindt, das in kurzer Zeit zum meistbesuchten Museum der Schweiz aufgestiegen ist. Die Folge: Einwohnerinnen und Einwohner beklagen sich über volle Busse von und nach Zürich, in denen sie stehen müssen oder gar nicht erst reinkommen, wie die «Zürichsee-Zeitung» kürzlich berichtete. Auf Ende Jahr muss das ÖV-Angebot deshalb erneut ausgebaut werden.

Die Overtourism-Beispiele sind ein weiterer Grund für Lüthi, die Tourismuswerbung zum Teil in Frage zu stellen: «Wir sollen darüber diskutieren, ob diese hohen Millionen-Beiträge wirklich gut eingesetzt sind. Oder ob es nicht Zeit wäre, sich den neuen Realitäten anzupassen.»

Schweiz Tourismus hält auf Anfrage fest, dass es eine nationale Tourismusmarketingorganisation brauche, die letztlich dafür sorge, dass die «richtigen Gäste zur richtigen Zeit an die richtigen Destinationen» gelangen. Zudem: «Wem ausser einer ‹halbstaatlichen›, nationalen Tourismusorganisation können potenzielle Gäste angesichts der Flut von sehr zweifelhaften Informationen auf Social Media denn noch trauen?» Schweiz Tourismus sei bestrebt, auch in Zukunft die Marke und Instanz des Vertrauens für die Gäste zu sein.

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