Eiskalter Söldner beim FC Bayern: Das traurige Ende des Robert Lewandowski

Die Transfer-Saga um Robert Lewandowski wird im dritten Monat nicht interessanter. Noch ist er Spieler des FC Bayern München. Der Transfer zum FC Barcelona aber scheint nur noch eine Frage der Zeit. Vom besten Stürmer der modernen Bundesliga-Geschichte wird wenig bleiben.

Am Tag, an dem klar wurde, dass Robert Lewandowski nie wieder Meister mit dem FC Bayern München werden will, verkaufte die Kurt-Landauer-Stiftung in einem Münchener Modeladen Retro-Trikots von Gerd Müller. Im Vorfeld hatte sogar der Pole für die Shirts geworben. Der 2021 verstorbene „Bomber der Nation“ bewegt weiterhin die Herzen einer ganzen Nation, seine Tore haben sich in das kollektive Gedächtnis des alten Westdeutschlands eingebrannt.

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Die Sekunden seines Treffers zum 2:1 im WM-Endspiel 1974 sind so ikonisch wie Willy Brandts Kniefall von Warschau im Dezember 1970. Müller ist Teil der deutschen Geschichte der 1970er Jahre und er ist auf ewig verbunden mit Bayern München und der Fußball-Bundesliga. Auch die Nachgeborenen können die Stationen seines Lebens aufzählen. Gerd Müller war immer da und er wird immer da sein. Auch sein Tod hat daran nichts ändern können.

An 23. April 2022 also gewann der FC Bayern München seine zehnte Meisterschaft in Folge und erreichte damit etwas in den europäischen Topligen noch nie dagewesenes. Es ging mal wieder gegen den Lieblingsgegner Borussia Dortmund, der seit Jahren nicht einmal mehr verzweifelt versucht, den Rekordmeister herauszufordern. Jahr für Jahr reist Deutschlands Nummer zwei in den Süden und kommt mit einer Niederlage zurück, und immer trifft Robert Lewandowski. Gegen seinen ehemaligen Verein ist er immer besonders motiviert: 23 Treffer in 16 Ligaspielen seit seinem Wechsel im Jahr 2014.

Die Demütigung im November

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Lionel Messi glitzert, Lewandowski nicht.

(Foto: picture alliance/dpa/MAXPPP)

Acht Jahre später nun, am Abend des 23. April 2022, stand Robert Lewandowski allein an der Strafraumkante. Das Spiel 3:1 gewonnen, die nächste Meisterschaft eingefahren. Gedankenverloren, weit entfernt von den Frauen in Trachten, die Bierkrug um Bierkrug in die Allianz Arena schleppten, versteinerte er für einen Moment. Noch einmal saugte er die Atmosphäre in sich auf. Wenig später sendete er erste Giftpfeile in Richtung Bayern. „Über meinen Vertrag oder meine Zukunft wurde noch kein Wort gesprochen“, sagte er, gekränkt und angriffslustig.

Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel wird Trainer Julian Nagelsmann die Frage nach Lewandowski umtänzeln, wie auch die nach Erling Haaland, der zu dem Zeitpunkt bei den Bayern noch eine realistische Option ist. Und das über lange Zeit war. Seit November 2021, dem Tag der Demütigung für den Polen. Erst holt Lionel Messi – und nicht er, der Favorit – den Ballon d’Or und dann kommt es womöglich zu einem ersten Treffen zwischen den Bayern-Bossen und dem Team um Haaland. Dieses Gerücht hält sich bislang hartnäckig.

Am Tag, an dem ohnehin alles schiefgeht, verhandelt also der Klub, dem er seine Tore schenkte, womöglich mit seinem potenziellen Nachfolger. Am Ende wird der zwar zu Pep Guardiola nach Manchester wechseln, aber dafür verpflichten die Bayern Sadio Mané und hofieren ihn wie einen Weltstar, der er auch ist. Die Führungsriege um Vorstands-Boss Oliver Kahn, Sportvorstand Hasan Salihamidžić und den meist unsichtbaren Präsidenten Herbert Hainer platzt beinahe vor Stolz. Die Verpflichtung ist ein Befreiungsschlag und die Präsentation etwas, was Lewandowski in München nie widerfahren ist.

Ende einer Zweck-Ehe

Keine drei Monate nach Lewandowskis einsamem Moment nach der gewonnenen Meisterschaft ist der „Point of no Return“ längst überschritten. Der FC Bayern München und sein Stürmerstar haben sich nicht mehr viel zu sagen. Formal beharren die Münchener weiterhin auf ihr bereits im Mai gesprochenes „Basta“, der Pole hingegen urlaubt, trifft rein zufällig Xavi Hernandez, seinen vielleicht neuen Trainer bei Barcelona, in einem Restaurant und schweigt.

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Pini Zahavi ist nicht unbedingt ein Freund des Hauses FC Bayern München.

(Foto: IMAGO/PRiME Media Images)

Im Hintergrund inszeniert sein mächtiger Berater Pini Zahavi, der von Ehrenpräsident Uli Hoeneß dereinst als „geldgieriger Piranha“ bezeichnet wurde, die Transfershow. Lewandowskis neuer Traumklub FC Barcelona will irgendwie an Geld kommen. Dafür verhökern sie ihre Zukunft, unternehmen verzweifelte Versuche, ihre überzähligen Spieler an den Mann zu bringen. In München sitzt man noch ohne großen Druck zusammen und schaut auf die Angebote, die irgendwann aus Spanien eintreffen werden und schon sind.

Vielleicht dienen den Bayern auch die 117 Millionen Euro als Benchmark, die Juventus 2018 für den damals 33-jährigen Cristiano Ronaldo an Real Madrid überwiesen hat. Für Barcelona gibt es ohnehin kein zurück mehr. Wahrscheinlich freut man sich in München aber auch über die Hälfte des Betrags. Eins scheint ohnehin klar: Bei Bayern München wird Lewandowskis Weg nicht weitergehen. Zu erkaltet ist die Zweckgemeinschaft, die selten über den Status eines Arbeitsverhältnisses hinauskam.

Und da dort keine Liebe ist, sondern nur Geschäft, ist der Bruch von allerhand Respektlosigkeiten geprägt. Jede Kleinigkeit wurde in den letzten Wochen zu einer Weltsensation aufgeblasen, ein Telefonat zwischen Sportvorstand Hasan Salihamidžić und der abtrünnigen Vereinslegende landete bereits Minuten später beim Boulevard, genüsslich streuten auch die Ex-Berater des Polen immer wieder ein paar Zitate ein, sie erzählten davon, dass Lewandowski immer von Real Madrid geträumt hatte und auch über ihre verwegenen Pläne im Jahr 2013.

Rekorde fallen …

Damals stand Lewandowski vor einem ganz ähnlichen Problem. Er wollte den BVB verlassen, doch die wollten ihn nicht gehen lassen. Sogar ein Streik stand im Raum, am Ende gab es eine saftige Gehaltserhöhung und lukrative Bonuszahlungen von 30.000 Euro für jeden Scorerpunkt. Deswegen, so heißt es, krallte sich Lewandowski am Ende der Spielzeit 2013/2014 zum ersten Mal in seiner Karriere die Bundesliga-Torschützenkanone.

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Die fünf Tore gegen Wolfsburg im September 2015 waren ein Schau.

(Foto: imago/Team 2)

Im Sommer 2014 ging er ablösefrei zu den Bayern, weil schon lange Einigkeit darüber bestand und somit auch Real Madrid, die ihn ebenfalls verpflichten wollten, chancenlos war. Das Team Lewandowski drehte noch einmal an der Geldschraube, bekam ein höheres Einstiegsgehalt und der Triumphzug begann. Jedes Jahr Meister und immer neue Torrekorde, neue Gehaltsrekorde auch. Aktuell verdient der 33-Jährige 24 Millionen Euro plus eventuelle Bonuszahlungen. Mehr verdient in der Bundesliga niemand. Und Lewandowski zahlte zurück: in Toren. 344 in 375 Pflichtspielen für die Bayern, dazu noch 72 Assists. Unglaubliche Zahlen.

So viele Tore, so viele Titel auch. Aber, und das ist Lewandowskis Problem, wer erinnert sich schon an einzelne Treffer? Wer erinnert sich an wichtige Treffer? An die, die Statik einer ganzen Saison veränderten oder an die, die nie wieder aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden? Gewiss, da sind die fünf Treffer in neun Minuten gegen den VfL Wolfsburg, aber sonst? Für Dortmund erzielte er einmal vier Treffer gegen Real Madrid. Damit kündigte er sich auf der ganz großen Bühne an, aber selbst an seine drei Tore für den BVB beim 5:2 im DFB-Pokalfinale 2012 gegen die Bayern erinnern sich die wenigsten.

… aber niemand erinnert sich

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Arjen Robben trifft zum Sieg gegen Borussia Dortmund.

(Foto: imago images/Shutterstock)

Untern den Fans des FC Bayern heißt es: „Er hat keine Robben-Tore geschossen“. Robben-Tore waren spektakulär und entscheidend. Wie damals im Finale der Champions League gegen Borussia Dortmund. Ein Jahr nach seinem Tiefpunkt. Nach den verschossenen Elfmetern gegen den BVB und im Champions-League-Finale. Ein Jahr, nach dem die Fans Robben vom Hof jagen wollten. Brüche. Wiederauferstehung.

Lewandowski-Tore waren selten spektakulär und viel seltener entscheidend. In den großen Spielen in den europäischen Wettbewerben trafen andere, in der Bundesliga interessieren einfache Tore schon lange nicht mehr. Ein Opfer seiner eigenen Treffsicherheit. Zu häufig jubelte er, zu selten stach er heraus.

Dazu ein auswegloser Kampf um Liebe, um Anerkennung. Respekt gab es ja immer. Doch so sehr Lewandowski sich auch bemühte, alles verblieb in einer biederen Welt, die keine Anknüpfpunkte, und keine Brüche bot. Seine Karriere? Ein einziger Weg bergauf bis zu den Gipfeln der absoluten Weltklasse. Keine Schwächephasen, nichts.

Dort bei den großen Stars des internationalen Fußballs wirkte er unbeholfen, fremdelte mit der Welt, in die er gehörte und gehört und in der einer wie Lewandowski nicht glänzen kann. Der Pole strahlte auch dort die Kälte aus, die ihn im Strafraum zur Tormaschine werden ließ, doch hier war sie fehl am Platz. Wenn er mit einem Anzug auf einer Gala auftauchte, wirkte es im besten Fall bemüht, manchmal auch einfach traurig. Wenn er mit seinen Videos auf TikTok glänzen wollte, waren es Nachrichten aus einer fremden, nicht erstrebenswerten Welt.

Was von Lewandowski bleiben wird

Was bleibt also von einem Spieler, der in einem Geisterstadion Gerd Müllers Ewigkeitsrekord von 40 Saisontoren einriss, der nur noch 53 Treffer von Müllers legendären Karriere-Tore entfernt ist. Von einem, der der besten seiner Zunft in der modernen Ligageschichte ist und der den Anhängern seiner Vereine jedes Jahr etwas zum Feiern schenkte? Die ernüchternde Antwort: Von Robert Lewandowski werden nur die Zahlen bleiben. Das ist verdammt wenig.

Am Tag, an dem klar wurde, dass er nie wieder Meister mit dem FC Bayern München werden will, läutete er mit seinen Äußerungen ein lange im Hintergrund schwellendes Transfer-Spektakel ein. Eines, das beiden Parteien unwürdig ist. Ein Spektakel, das grotesk wirkt und in die Lächerlichkeit abdriftet. Lewandowski ist einer, den es irgendwie in die Bundesliga verschlagen hat und jetzt weit, weit weg will. Der – anders als Gerd Müller nach seiner „Flucht“ in die USA – auch nie wieder zurückkehren wird. Er ist einer, von dem Fans wie der bekannte Blogger Christian Nandelstädt sagen: „Robert Lewandowski ist keiner von uns!“

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